Dieses Blog durchsuchen

Rezension:Terroir: Weinkultur und Weingenuss in einer globalen Welt (Gebundene Ausgabe)

Weine aus dem Weingut Heymann-Löwenstein besaß mein verstorbener Schwiegervater schon in seinem Weinkeller. Beim ihm auch lernte ich Rieslinge des VDP-Winzers Reinhard Löwenstein kennen und schätze diese seither wegen ihrer eigenwilligen und dabei exzellenten Geschmacksnoten sehr.

Nicht bekannt war mir bislang, dass der Moselwinzer ein Intellektueller ist. Im vorliegenden Buch, in dem er sich sehr differenziert über Weinkultur und Weingenuss in einer globalen Welt gedanklich ausbreitet, singt er das Hohelied auf die Terroirweine, mit dem er sich respektvoll vor Mutter Erde, den Reben und der Begabung der Winzer verbeugt und den Food-Designern, die die Weinkultur auf dem Altar der Globalisierung zu opfern suchen, ganz klar die rote Karte zeigt.

Löwenstein konstatiert, dass der Terroirwein kein Rezept kenne. Er entstünde nicht durch lineares Programmieren auf der Basis eines axiomatischen Denkmodells, sondern er entwickele sich an der Grenzfläche von Handwerk und Intuition, zwischen Kontrolle und Laissez-faire, zwischen Ordnung und Chaos, (vgl.: S.8).

Die Magie des Weines sei seit Dekaden Forschungsgegenstand an vielen Universitäten. Löwenstein informiert wie Marketingexperten Produkte den Zielgruppen schmackhaft machen und wie wenig diese Marketingexperten im Grunde von der wahren Magie des Weines wissen.


Terroirweine, die durch das schöpferische Zusammenspiel von Lage, Reben, Klima und Kunst des Winzers entstehen, sind Magie. Der Autor lässt in diesem Zusammenhang den Leser wissen, dass sich im Keller mehr als bloß eine chemische Wandlung vollzieht. "Aus Trauben wird ein Rauschgetränk, eine die Zunge lösendes Kommunikationswunder, ein vorzüglicher Essensbegleiter, das Blut Gottes, ein Sorgentröster, ein Potenzmittel, eine Wahrheitsdroge...."(Zitat: S.14).

Leider haben viele Weine seit der Globalisierung ihre Ursprünglichkeit verloren. Nun schmecken Rheinweine plötzlich nach Fruchtsalat, Nebbiolos nach Marmelade, weil das verunsicherte Individuum mit Muttermilch ähnlicher Süße betört wird. Wie Löwenstein so treffend schreibt "Schön süß und fett. Ab in die Oralphase, von wegen erwachsen und Bewusstsein!",(Zitat: S.27).

All das, was einen guten Wein ausmacht, soll verschwinden, weil der Kindergeschmack offenbar verkaufsfördernder ist. Löwenstein aber weiß, dass wir mit dem Verlassen der infantilen Welt süßer Milch, Breie und Früchte erlernen, mit differenzierten Aromen umzugehen und, dass wir auf diese Weise Geschmack entwickeln. Dieser Geschmack macht es u.a. möglich delikate Terroirweine zu goutieren.

Der Autor berichtet in seinem kurzweilig zu lesenden Buch sehr viel Faktisches, erzählt auch von dem Abt Bernhard von Clairvaux, einem der großen Visionäre des modernen Weinbaus und neigt zwischendrinn zu philosophischen Betrachtungen und angenehm poetischen Passagen. Dieser Mix gefällt mir und spricht mich ganz ungemein an.

Immer wieder geht es Löwenstein darum aufzuzeigen, wie die Weinkultur auf dem Altar der Fastfood geopfert wird und er nennt tausend Gründe, weshalb Winzer sich an diesem Spiel nicht beteiligen sollen. Wer sich mit diesen auseinandersetzen möchte, sollte das Buch lesen.

Es stimmt, wenn Löwenstein hervorhebt "Wir haben die Freiheit, den vielfältigen Aspekten dieses uralten Getränkes Raum zu geben, uns von ihm einfangen zu lassen, uns verführen zu lassen",(Zitat S.166.) Löwenstein nutzt diese Freiheit und schenkt seinen Kunden durch seine Weine die Chance, sich endlich von der Oralphase zu emanzipieren und zumindest beim Weintrinken auch Grenzerfahrungen zu machen und zwar durch den Genuss von Terroirweinen.

Empfehlenswert.
Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen