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Rezension:Das Lesebuch für Genießer (Broschiert)

Der Genuss ist eine der Lust verwandte angenehme Empfindung. In der Ethik proklamiert der Hedonismus das Streben nach Genuss als Lebensziel. Die Ästhetik thematisiert den Genuss als Reaktion auf die Begegnung mit dem Schönen. Im vorliegenden Lesebuch für Genießer finden sich Texte namhafter Schriftsteller, Dichter und Denker zu den Themen Essen, Trinken, Lieben und Genießen mit allen Sinnen.

Karl Marx meinte zwar, dass die Philosophie des Genusses nie etwas anderes war als die geistreiche Sprache gewisser zum Genuss privilegierter gesellschaftlichen Kreise. Ob er damit Recht hat sei dahingestellt. Die Buddenbrooks gehörten gewiss jenen Kreisen an, die Marx im Auge hatte.... "Nun kam, in zwei großen Kristallschüsseln, der »Plettenpudding«, ein schichtweises Gemisch aus Makronen, Himbeeren, Biskuits und Eiercreme...." Jedem ist diese lukullische Stelle geläufig, der die Buddenbrooks gelesen hat. Bereits sprachlich ein Hochgenuss. Interessant zu lesen ist auch der Auszug aus Rabelais "Gargantua und Pantagrue" und Michael de Montaignes Essay "Von der Völlerei".
Über den Weingenuss haben viele gedichtet, sogar Kloppstock, Bürger, Schiller und Novalis, der ein Loblied auf den Burgunderwein sang. Das vorliegende Buch enthält eine ganze Reihe solch schöner Genussgedichte. Unübertroffen ist die Danksagung Carl Zuckmayers anlässlich der Verleihung des deutschen Weinkulturpreises 1955. So liest man dort, dass Blume, Bouquet, Körper, Reife, Anstand, Noblesse, Zartheit, Würze, Charakter, Kraft in vielen Abwandlungen gepriesen werden und der Wein als lieblich, liebenswürdig, herzlich und ernsthaft, zärtlich, mädchenhaft, voll, fraulich, frisch, heiter, stürmisch, gesetzt und männlich- reif bezeichnet wird, um nur einige wenige dieser Lob- und Kosenamen aufzuzeichnen.
Fällt einem darüber hinaus beim Kosten oder Trinken ein neues, ungewohntes, aus dem Moment geborenes Qualitätswort ein, aus menschlichen, dinglichen, irdischen und himmlischen Bezirken, so scheint mir damit der Verherrlichung des Weines Genüge getan, mehr jedenfalls als im Versuch einer hymnischen Verklärung in der Poesie: Denn der Wein verklärt und verherrlicht sich selbst. So textet der Verfasser des "Fröhlichen Weinbergs", der in Nackenheim lebte und bei Gunderloch nicht selten dem Weingenuss frönte. Wer Gunderlochs Weine kennt, versteht Zuckermayer sofort.
Auszüge aus Platons Symposion und aus dem Kamasutra spiegeln die Facetten der Liebe. Choderlos de Laclos beginnt seinen 6. Brief der "Schlimmen Liebschaften" mit dem Satz: "Gibt es denn keine Frau, die ihre Macht nicht missbraucht!" Kein erbaulicher Beginn für einen Brief, nicht wahr? Betrachtungen sind gottlob immer subjektiv. Also, nächstes Thema.
Immer wieder wird deutlich, dass Genuss sich ins Gegenteil verkehrt, wenn man Völlerei betreibt und sich nicht diszipliniert. Nicht umsonst unterscheiden die Franzosen zwischen einem Gourmet und einem Gourmand. Insofern sollte man sich den Satz von Konfuzius stets vor Augen halten: "Der Meister sprach: Den guten Weg den anderen Wegen vorzuziehen ist besser, als ihn nur zu kennen; auf ihm glücklich zu sein ist besser, als ihn nur vorzuziehen. Wählet den guten Weg!"
Eine schöne Bettlektüre. Empfehlenswert!

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